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Donnerstag, 5. Februar 2004
kairo
neith, 17:56h
hier ist ne kleine review von einem meiner lieblings-suspence-filme, den ich durch meinen schatz sehen konnte. die review ist nicht von mir:
Kaïro
Originaltitel: Kaïro. Produktion: Japan 2001. Regie: Kiyoshi Kurosawa. Darsteller: Haruhiko Kato, Kumiko Aso, Koyuki Karume Arisaka, Masatoshi Matsuo. Genre: Horror
"Möchten Sie einem Geist begegnen?"
>> von Andreas Oswald, 28.05.03
Der Horrorfilm ist so alt wie das Medium Film und selbst bei der ersten Filmvorführung der Gebrüder Lumiere beherrschte nur eine grundlegende Emotion die Geburtsstunde des Kinos: Angst. Seit damals und heute hat sich zumindest im fantastischen Film nicht allzu viel geändert. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich das Gesicht des Horrorfilms immer wieder gewandelt und suchte nach neueren, effektvolleren Ausdrucksformen. Angefangen von den Gruselfilmen der 20er und 30er, über die kitschig grellbunten Fantasystreifen der 50 und 60er, bis hin zu den extrem gewaltfokusierten und explizit anschaulichen Splatter- und Gorefilmen der 70er und 80er, die dem Horrorfilm den bis heute in der Öffentlichkeit ihren schlechten Ruf einbrachten - Das Genre erregte stets die Gemüter und sorgte für Aufsehen als auch Skandale. Seit den 90ern fristet der Horrorfilm mehr oder weniger ein Schattendasen - vom Mainstreamhorror Made in Hollywood mal abgesehen - belächelt und verurteilt als Gewaltfantasien perverser und untalentierter Filmmacher. Doch glücklicherweise gab und gibt es auch heute immer noch Ausnahmen; Regisseure, die nicht auf plakative Gewaltdarstellungen zurückgreifen und stattdessen auf außergewöhnliche Geschichten und die klassischen Werkzeuge der Kinematografie setzen.
Einer dieser Regisseure ist Kiyoshi Kurosawa. Über die letzten Jahre hinweg hat sich Kurosawa mit seinen Filmen wie "Cure", "Seance" und "Charisma" als Regiegröße im japanischen Horrorkino und als einer der interessantesten und talentiertesten Filmemacher etablieren können. Mit "Kairo" (Pulse = Pulsschlag, Spannungswechsel) lieferte Kurosawa erneut den Beweis, das konsequenter Spannungsaufbau und anspruchsvolle Geschichten gepaart mit visuellem Einfallsreichtum den Horrorfilm sehr wohl in den Kunststatus erheben können, denn Kairo überzeugt sowohl inszenatorisch als auch thematisch.
"Möchten Sie einem Geist begegnen?", heißt es auf einer Webseite im Internet, um daraufhin die unscharfen Bilder einer nicht zu identifizierenden Person im schattigen Hintergrund via Webcam zu zeigen. Kurze Zeit später beginnen sich vereinzelt Menschen in Tokio merkwürdig zu verhalten. Sie fallen in eine Art melancholische Trance, aus der sie sich selbst nicht mehr befreien können. Plötzliche Selbstmorde häufen sich und die Vermisstenmeldungen im ganzen Land nehmen innerhalb kürzester Zeit geradezu apokalyptische Ausmaße an. Auch zwei junge tokioter Studenten werden in den Bann dieser Webseite gezogen und schon bald beginnen die Menschen um sie herum spurlos zu verwinden. Weitere Nachforschungen ergeben, dass die Selbstmorde in unmittelbaren Zusammenhang mit der Webseite stehen und jetzt auch ihr Leben bedroht ist, denn Geister scheinen eine Invasion zu planen.
Eine kurze Szene aus "Kairo" versinnbildlicht nur allzu deutlich die komplexe und zeitgemäße Thematik des Films. Eine Computeranimation zeigt eine Ansammlung von Kugeln, die innerhalb eines begrenzten, vorgegebenen Raumes gefangen sind und scheinbar ziellos umherirren. Die Kugeln ziehen sich gegenseitig an, berühren sie sich aber, werden sie ausgelöst. Ähnlich verhält es sich mit einem Großteil der menschlichen Bevölkerung. Der Mensch an sich ist schon ein seltsames Wesen. Bewegt er sich doch selbst meistens in größeren Massen, so fühlt er sich aber fast immer alleine und verlassen. Allein ist er unfähig zu überleben, oft reichen aber schon zwei oder drei Personen aus und ein Zusammenleben wird unmöglich. Er kann nicht mit, aber auch nicht ohne seinen Mitmenschen existieren. Die Koexistenz als größte und ungemeistert Aufgabe unserer Gesellschaft.
"Kairo" handelt von der Unfähigkeit der Menschen zu kommunizieren und Kontakte zu knüpfen; eine gespenstische Parabel auf die Vereinsamung der Menschheit durch die moderne Technik. Kurosawa beschwört die stetig wachsende und allgegenwärtige Präsenz der Technik, speziell der unpersönlichen Kommunikationstechnologien (E-Mail, Internet) als unheilige Schnittstelle zwischen Mensch und Mensch, die die natürlichen Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten ins Negative verkehrt. Der Mensch wird zum emotional verkrüppeltem Individuum, einsam, verzweifelt und gleichzeitig ohnmächtig, Hilfe zu empfangen und anzunehmen. Er wird zum seelenlosen Geist - eine elende Kreatur, die sich selbst von der Menschheit lossagt und aus dem Blickfeld der Gesellschaft entfernt, um irgendwo hinter verschlossenen Türen vor sich dahinzuvegetieren. Die letzte Konsequenz: Resignation und der Suizid. Das im wahrsten Sinne des Wortes apokalyptische Finale sollte als Warnung dienen; als Warnung vor einer möglichen Zukunft der Einsamkeit, Hilflosigkeit und Depression. "Kairo" ist Kritik an einer technokratische Zivilisation und letztlich gar nicht so weit hergeholt ist wenn man bedenkt, dass sich jeden Tag Millionen von Menschen durch dicht gedrängte Fußgängerzonen bewegen, sich keines Blickes würdigen, aber gleichzeitig unendlich einsam und verlassen fühlen.
Auch stilistisch ist "Kairo" in jeder Hinsicht geglückt und geht eine nahtlose Symbiose mit der bedrückenden Thematik ein. Kurosawa zeigt uns ein verlassenes, kaltes, heruntergekommenes Tokio und treibt dabei seine Darsteller durch eintönige und düstere Schauplätze, die in jeder Sekunde die Tristesse und Einsamkeit der Charaktere widerspiegeln. Die emotionale Distanz zwischen den Darsteller zeigt sich auch in der Distanz der Kamera zu den Akteuren, denn auf Closeups wird fast vollständig verzichtet. Kälte ist die vordergründige Emotion der grobkörnigen und düsteren Bildkreationen, die den Zuseher in eine bizarre Welt führen, in der jeder Ansatz von Hoffung und Liebe im Keim erstickt wird. Es ist fast so, als gäbe es keine Freude, kein Lachen, keine Wärme, keine Hoffnung in dieser Stadt. Ähnlich wie in den Filmen von David Lynch besitzt auch "Kairo" einige extrem beängstigende und verstörende Bildkreationen, die selbst dem abgehärteten Horrorfilmfan mehr als einmal die Nackenhaare steil zu Berge stehen lassen werden. Der visuelle Einfallsreichtum gepaart mit der minimalistischen, aber äußert effektiven Musik- und Geräuschkulisse schaffen ein tiefgreifendes Schockszenario von morbider Schönheit und Ausdrucksstärke, die den Zuseher völlig einnimmt und lange verfolgt.
"Kairo" ist ein Meisterwerk effektiver Filmkunst, das schockiert, auffühlt, fasziniert und verstört. Regisseur Kiyoshi Kurosawa liefert mit "Kairo" nicht nur seine bislang reifste Arbeit ab, sondern auch den unerschütterlichen und beeindruckenden Beweis, dass der Horrorfilm sehr wohl alle ihm unterstellten Klischees überwinden und intelligente als auch anspruchsvolle Unterhaltung bieten kann, die fesselt und gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Dark noir horror at its best!
Kaïro
Originaltitel: Kaïro. Produktion: Japan 2001. Regie: Kiyoshi Kurosawa. Darsteller: Haruhiko Kato, Kumiko Aso, Koyuki Karume Arisaka, Masatoshi Matsuo. Genre: Horror
"Möchten Sie einem Geist begegnen?"
>> von Andreas Oswald, 28.05.03
Der Horrorfilm ist so alt wie das Medium Film und selbst bei der ersten Filmvorführung der Gebrüder Lumiere beherrschte nur eine grundlegende Emotion die Geburtsstunde des Kinos: Angst. Seit damals und heute hat sich zumindest im fantastischen Film nicht allzu viel geändert. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich das Gesicht des Horrorfilms immer wieder gewandelt und suchte nach neueren, effektvolleren Ausdrucksformen. Angefangen von den Gruselfilmen der 20er und 30er, über die kitschig grellbunten Fantasystreifen der 50 und 60er, bis hin zu den extrem gewaltfokusierten und explizit anschaulichen Splatter- und Gorefilmen der 70er und 80er, die dem Horrorfilm den bis heute in der Öffentlichkeit ihren schlechten Ruf einbrachten - Das Genre erregte stets die Gemüter und sorgte für Aufsehen als auch Skandale. Seit den 90ern fristet der Horrorfilm mehr oder weniger ein Schattendasen - vom Mainstreamhorror Made in Hollywood mal abgesehen - belächelt und verurteilt als Gewaltfantasien perverser und untalentierter Filmmacher. Doch glücklicherweise gab und gibt es auch heute immer noch Ausnahmen; Regisseure, die nicht auf plakative Gewaltdarstellungen zurückgreifen und stattdessen auf außergewöhnliche Geschichten und die klassischen Werkzeuge der Kinematografie setzen.
Einer dieser Regisseure ist Kiyoshi Kurosawa. Über die letzten Jahre hinweg hat sich Kurosawa mit seinen Filmen wie "Cure", "Seance" und "Charisma" als Regiegröße im japanischen Horrorkino und als einer der interessantesten und talentiertesten Filmemacher etablieren können. Mit "Kairo" (Pulse = Pulsschlag, Spannungswechsel) lieferte Kurosawa erneut den Beweis, das konsequenter Spannungsaufbau und anspruchsvolle Geschichten gepaart mit visuellem Einfallsreichtum den Horrorfilm sehr wohl in den Kunststatus erheben können, denn Kairo überzeugt sowohl inszenatorisch als auch thematisch.
"Möchten Sie einem Geist begegnen?", heißt es auf einer Webseite im Internet, um daraufhin die unscharfen Bilder einer nicht zu identifizierenden Person im schattigen Hintergrund via Webcam zu zeigen. Kurze Zeit später beginnen sich vereinzelt Menschen in Tokio merkwürdig zu verhalten. Sie fallen in eine Art melancholische Trance, aus der sie sich selbst nicht mehr befreien können. Plötzliche Selbstmorde häufen sich und die Vermisstenmeldungen im ganzen Land nehmen innerhalb kürzester Zeit geradezu apokalyptische Ausmaße an. Auch zwei junge tokioter Studenten werden in den Bann dieser Webseite gezogen und schon bald beginnen die Menschen um sie herum spurlos zu verwinden. Weitere Nachforschungen ergeben, dass die Selbstmorde in unmittelbaren Zusammenhang mit der Webseite stehen und jetzt auch ihr Leben bedroht ist, denn Geister scheinen eine Invasion zu planen.
Eine kurze Szene aus "Kairo" versinnbildlicht nur allzu deutlich die komplexe und zeitgemäße Thematik des Films. Eine Computeranimation zeigt eine Ansammlung von Kugeln, die innerhalb eines begrenzten, vorgegebenen Raumes gefangen sind und scheinbar ziellos umherirren. Die Kugeln ziehen sich gegenseitig an, berühren sie sich aber, werden sie ausgelöst. Ähnlich verhält es sich mit einem Großteil der menschlichen Bevölkerung. Der Mensch an sich ist schon ein seltsames Wesen. Bewegt er sich doch selbst meistens in größeren Massen, so fühlt er sich aber fast immer alleine und verlassen. Allein ist er unfähig zu überleben, oft reichen aber schon zwei oder drei Personen aus und ein Zusammenleben wird unmöglich. Er kann nicht mit, aber auch nicht ohne seinen Mitmenschen existieren. Die Koexistenz als größte und ungemeistert Aufgabe unserer Gesellschaft.
"Kairo" handelt von der Unfähigkeit der Menschen zu kommunizieren und Kontakte zu knüpfen; eine gespenstische Parabel auf die Vereinsamung der Menschheit durch die moderne Technik. Kurosawa beschwört die stetig wachsende und allgegenwärtige Präsenz der Technik, speziell der unpersönlichen Kommunikationstechnologien (E-Mail, Internet) als unheilige Schnittstelle zwischen Mensch und Mensch, die die natürlichen Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten ins Negative verkehrt. Der Mensch wird zum emotional verkrüppeltem Individuum, einsam, verzweifelt und gleichzeitig ohnmächtig, Hilfe zu empfangen und anzunehmen. Er wird zum seelenlosen Geist - eine elende Kreatur, die sich selbst von der Menschheit lossagt und aus dem Blickfeld der Gesellschaft entfernt, um irgendwo hinter verschlossenen Türen vor sich dahinzuvegetieren. Die letzte Konsequenz: Resignation und der Suizid. Das im wahrsten Sinne des Wortes apokalyptische Finale sollte als Warnung dienen; als Warnung vor einer möglichen Zukunft der Einsamkeit, Hilflosigkeit und Depression. "Kairo" ist Kritik an einer technokratische Zivilisation und letztlich gar nicht so weit hergeholt ist wenn man bedenkt, dass sich jeden Tag Millionen von Menschen durch dicht gedrängte Fußgängerzonen bewegen, sich keines Blickes würdigen, aber gleichzeitig unendlich einsam und verlassen fühlen.
Auch stilistisch ist "Kairo" in jeder Hinsicht geglückt und geht eine nahtlose Symbiose mit der bedrückenden Thematik ein. Kurosawa zeigt uns ein verlassenes, kaltes, heruntergekommenes Tokio und treibt dabei seine Darsteller durch eintönige und düstere Schauplätze, die in jeder Sekunde die Tristesse und Einsamkeit der Charaktere widerspiegeln. Die emotionale Distanz zwischen den Darsteller zeigt sich auch in der Distanz der Kamera zu den Akteuren, denn auf Closeups wird fast vollständig verzichtet. Kälte ist die vordergründige Emotion der grobkörnigen und düsteren Bildkreationen, die den Zuseher in eine bizarre Welt führen, in der jeder Ansatz von Hoffung und Liebe im Keim erstickt wird. Es ist fast so, als gäbe es keine Freude, kein Lachen, keine Wärme, keine Hoffnung in dieser Stadt. Ähnlich wie in den Filmen von David Lynch besitzt auch "Kairo" einige extrem beängstigende und verstörende Bildkreationen, die selbst dem abgehärteten Horrorfilmfan mehr als einmal die Nackenhaare steil zu Berge stehen lassen werden. Der visuelle Einfallsreichtum gepaart mit der minimalistischen, aber äußert effektiven Musik- und Geräuschkulisse schaffen ein tiefgreifendes Schockszenario von morbider Schönheit und Ausdrucksstärke, die den Zuseher völlig einnimmt und lange verfolgt.
"Kairo" ist ein Meisterwerk effektiver Filmkunst, das schockiert, auffühlt, fasziniert und verstört. Regisseur Kiyoshi Kurosawa liefert mit "Kairo" nicht nur seine bislang reifste Arbeit ab, sondern auch den unerschütterlichen und beeindruckenden Beweis, dass der Horrorfilm sehr wohl alle ihm unterstellten Klischees überwinden und intelligente als auch anspruchsvolle Unterhaltung bieten kann, die fesselt und gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Dark noir horror at its best!
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